In der Stadtverordnetenversammlung vom 26. Januar 2023 wurde vom Fraktionsvorsitzenden Marcus Heße-Nuß folgende Rede gehalten:
Haushaltsrede der SPD-Fraktion zum Doppelhaushalt 2023 und 2024 – Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin, Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
heute beschließen wir wieder einen Doppelhaushalt, nachdem wir in den vergangenen Jahren – auch aus Gründen der noch nicht absehbaren Pandemiefolgen – Einzelhaushalte beschlossen hatten.
Ein Doppelhaushalt hat Vorteile, bringt aber auch Nachteile mit sich: Von Vorteil ist es, wenn wir uns nicht jeden November und Dezember in einen Sitzungsmarathon begeben müssen. Ein weiterer Vorteil ist, dass in einem Doppelhaushalt größere Vorhaben und Entwicklungsschritte sichtbar werden können.
Von Nachteil ist es, dass man manchmal versucht einen Doppelhaushalt im Zeitplan eines Einzelhaushaltes zu beschließen, so ist es jedenfalls dieses Mal passiert. Ein inhaltlicher Nachteil ist es, dass das zweite Haushaltsjahr – insbesondere auf der Einnahmenseite – schwieriger planbar wird, da verlässliche Steuerschätzungen noch gar nicht vorliegen können. Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine und seiner wirtschaftlichen Folgen haben wir also im Haushaltsjahr 2024 einige Unsicherheitsfaktoren. Einen weiteren Nachteil möchte ich an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen: mit einem Doppelhaushalt setzten wir uns auch ein Korsett für die finanziellen Möglichkeiten und Projekte der nächsten zwei Jahre, das kann in der Kommunalpolitik ein ziemlich langer Zeitraum sein, in dem es neue Ideen dann schwer haben.
Nach den Beratungen ist folgender Hinweis an die Verwaltungsspitze erneut festzuhalten: die Planung über Einbringung, Beratung und Beschlussfassung des Haushaltes war schlicht und einfach zeitlich zu knapp dimensioniert. Besonders deutlich sieht man das an der Sitzung über die Haushaltsanträge am letzten Donnerstag: diese hat bis 23:40 Uhr angedauert und ein enormes Pensum an Anträgen und Diskussionen bewältigt. Dafür waren aber auch eine Vielzahl von interfraktionellen Absprachen im Vorfeld nötig. Das hätten wir im Dezember nicht hinbekommen.
Betrachten wir die wichtigen Eckpunkte dieses Doppelhaushaltes für uns als Sozialdemokraten: Zuallererst ist festzuhalten, dass Grundsteuer und Gewerbesteuer für beide Haushaltsjahre stabil sind und nicht erhöht werden. Das ist das Mindeste, was die Bürgerinnen und Bürger von uns als Kommunalpolitiker in der aktuellen Zeit steigender Kosten auch erwarten. Die Erhöhung der Grundsteuer im letzten Jahr sehen wir nach wie vor als einen Fehler an, aber eine Mehrheit in diesem Haus hat es so entschieden. Wichtig für uns als SPD-Fraktion ist, dass wir in diesem Doppelhaushalt dennoch den Spielraum haben, viele nötige und auch einige aufgeschobene Investitionen umzusetzen. Für diese Investitionen nehmen wir Kredite in einer Gesamthöhe von 14,6 Mio. EUR auf. Die Unterdeckung im Ergebnishaushalt können wir aber durch Überschüsse aus den Vorjahren ausgleichen und geraten dabei nicht in die Notwendigkeit, einer Haushaltssicherung.
Wir bewältigen in diesem Haushalt einige Projekte, die uns als Sozialdemokraten besonders am Herzen liegen: Wir bauen die große KiTa „Storchennest“ im Schänzchen III, wir beginnen den Anbau an der KiTa „Am Apfelbaum“, wir bauen das neue Jugendhaus, wir beschaffen Unterkünfte für Geflüchtete, wir setzen erste Maßnahmen aus dem Sportstättenentwicklungsplan an der Richard-Basting- Sportanlage um, wir stärken die Hochheimer Vereine und noch vieles mehr. Bei diesen Investitionen sind wir besonders stolz darauf, dass wir mit unserem Antrag zum Bauentschluss für das Jugendhaus eine große Zustimmung hatten. Hier möchte ich mich im Namen meiner Fraktion für die Unterstützung der CDU und der besonders intensiven Unterstützung der FDP herzlich bedanken.
Ein Antrag, der sofort große Zustimmung der Verwaltung und der anderen Frakationen fand war, bei den Einnahmen aus der Gewerbesteuer auch den Ertrag zu zeigen, der höchstwahrscheinlich zu erwarten ist. Dieser Antrag hatte – neben dem Lob von Herrn Schneider – über beide Jahre insgesamt eine Einnahmeverbesserung von 300.000 EUR zur Folge, womit viele weitere Haushaltsanträge dann auch erst finanzierbar wurden.
Ebenso freut es uns, dass wir die Haushaltsmittel für eine Geschwisterkindermäßigung in den Hochheimer KiTas sichern konnten. Wir sind zuversichtlich, die entsprechende Änderung der Gebührensatzung in diesem Jahr auf den Weg bringen zu können, um die Eltern von Geschwisterkindern zukünftig zu entlasten.
Wir haben seit dem letzten Jahr auch einen neugegründeten Stadtelternbeirat der Hochheimer Kinderbetreuungseinrichtungen, daher war es uns ein wichtiges Anliegen, dass wir auch diesem Beirat Mittel u. a. zur Öffentlichkeitsarbeit in diesem Haushalt zu Verfügung stellen können. Gleiches gilt auch für unsere anderen Beiräte, die alle über die gleichen Möglichkeiten verfügen sollen.
Aus der Fraktion der CDU kamen zwei Anträge, der städtischen Wohnungsbau GmbH, die ja auch der Veranstalter des Hochheimer Weinfestes und des Hochheimer Marktes ist, Zuschüsse aus dem Haushalt in empfindlicher Höhe zu kürzen. Bei allem verständlichen Willen zum Sparen sahen wir es aber als zu riskant an, diesen Anträgen der CDU zu folgen und so die Wohnbau GmbH in eine schwierige Lage zu bringen bzw. die Durchführung der beiden Feste zu gefährden. Die Anträge wurden im HFA mehrheitlich abgelehnt. Wir Sozialdemokraten stehen zu unseren traditionellen Festen Weinfest und Hochheimer Markt.
Wir hätten gerne die Jugendarbeit mit einer zusätzlichen Stelle für die Zukunft gestärkt und uns eine intensivere Vernetzung mit der Schulsozialarbeit gewünscht. Nach Diskussionen in der nichtöffentlichen Sitzung über andere absehbare Personalreserven haben wir für unseren Antrag keine Mehrheit mehr gesehen und diesen dann zurückgezogen.
Damit kommen wir zum für uns problematischen Punkt dieses Haushaltes.
Bereits seit dem Sommer 2019 versuchen wir als Hochheimer Sozialdemokraten ein für uns sehr wichtiges und zentrales Thema auf die Agenda zu setzen: nämlich die Versorgung Hochheims mit bezahlbarem Wohnraum.
Im inzwischen dritten Anlauf haben wir den Haushaltsantrag gestellt, Mittel für ein Wohnraumversorgungskonzept einzustellen. Nachdem unser erneuter Sachantrag zu diesem Thema im Herbst in die Ausschüsse verwiesen wurde, hatten wir durchaus die Hoffnung, inzwischen alle von der dringenden Notwendigkeit überzeugt zu haben.
Leider wurden wir in der Antragssitzung sehr negativ überrascht: CDU, FDP und FWG stimmten ein weiteres Mal gegen unser Ansinnen und nehmen in der Begründung auch kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht zu signalisieren, wie wenig man von unseren Anträgen aber natürlich auch vom dahinter liegenden Problem verstanden hat oder verstehen will.
Was wollen wir mit dem Wohnraumversorgungskonzept eigentlich erreichen und warum ist dieser Punkt für uns von großer Bedeutung?
Es ist kein Geheimnis, dass wir zu wenig bezahlbaren Wohnraum haben. Das war Thema in den vergangenen Wahlkämpfen und bei jeder Partei. In Hochheim fehlen Wohnungen. Dies betrifft sowohl den geförderten wie auch den nicht geförderten Wohnraum.
In der jüngeren Hochheimer Vergangenheit haben wir – getrieben von einer Haushaltskonsolidierung – städtische Grundstücke für die Schaffung von Wohnraum höherpreisig verkauft. Die natürliche Folge davon ist, dass dann auch hochpreisige Wohnungen auf diesen Grundstücken entstehen. Spricht man mit Hochheimer Bürgerinnen und Bürgern darüber, so erfährt man schnell, dass bezahlbaren Wohnraum in Hochheim zu finden durchaus ein Problem ist. Ein Problem für Studentinnen und Studenten aber auch für diejenigen, die gerade in das Berufsleben einsteigen oder eine Familie gründen. Wie ein Haushaltsantrag der FDP zeigt, ist es aber auch ein Problem der älteren in unserer Gesellschaft bezahlbare und barrierefreie Wohnungen zu finden.
Als wäre das Problem nicht bereits groß genug, verlieren wir kontinuierlich im großem Umfang Belegungsrechte an geförderten Wohnungen, da alle großen Versorger an einer Verlängerung nicht interessiert sind und die Wohnungen nach und nach zu den höheren Marktpreisen vermieten wollen. Gleichzeitig haben wir eine immer länger werdende Liste von Menschen mit Wohnberechtigungsschein, die auf eine geförderte Wohnung in Hochheim warten. Mit der Grundsteuererhöhung im letzten Jahr haben wir überdies das Wohnen in Hochheim grundsätzlich für alle nochmals verteuert.
Ein Wohnraumversorgungskonzept von unabhängigen Experten würde uns helfen, den richtigen Bedarf in Hochheim zu ermitteln und würde uns Handlungsempfehlungen und Werkzeuge an die Hand geben, damit wir für die Zukunft besser vorbereitet sind und die richtigen Entscheidungen mit den richtigen Partnern treffen können. Ohne ein Wohnraumversorgungskonzept findet sich in diesem Doppelhaushalt weder einen Ansatz zur Schaffung von Wohnraum noch ein Planungsansatz oder ein Konzept für die Zukunft.
Ja, Konzepte allein Schaffen keinen Wohnraum. Beratungsresistentes Verharren kann aber auch keinen Wohnraum schaffen. Für uns Sozialdemokraten muss ein guter Haushalt neben den angesprochenen Investitionen ein gewisses Maß an Zukunftsvorsorge enthalten, daher ist nach all den jahrelangen Diskussionen ein Haushalt ohne Zukunftsperspektive für das bezahlbare Wohnen für uns nicht zustimmungsfähig.
In der Sitzung am letzten Donnerstag wurde diese Ankündigung als eine nicht legitime Vorgehensweise bezeichnet. Das ist ein großer Irrtum, denn unsere Entscheidung ist durchaus legitim und würde von anderen Fraktionen in vergleichbaren Fällen ebenso praktiziert werden: Ein Haushalt mit einer deutlichen Gewerbesteuererhöhung wäre für die FDP nicht zustimmungsfähig, ein Haushalt ohne Klimaschutz für die Grünen ebenfalls.
Ein Haushalt, der eine der wichtigsten Aufgaben der Zukunftsvorsorge nicht grundlegend mit Expertenrat in Angriff nehmen will, der ist für uns als Sozialdemokraten nicht zustimmungsfähig. Das ist klar begründet und nicht skandalträchtig.
Wir beantragen daher heute nochmals, die Aufnahme von 30.000 EUR für ein Wohnraumversorgungskonzept in den 2023er Haushalt einzustellen. Darüber hinaus beantragen wir die namentliche Abstimmung. Wir hoffen auf eine mehrheitliche Zustimmung zu dieser wichtigen Zukunftssicherung.
Ein zentraler Punkt in unserem Kommunalwahlkampf und im Bürgermeisterwahlkampf war aber auch, dass wir einen Plan entwickeln wollen, wo wir Hochheim gemeinschaftlich in den nächsten Jahren sehen wollen. Unser Lösungsvorschlag ist hier ein integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept, das wir in unserem Haushaltsantrag für das Jahr 2024 mit einem Volumen von 110.000 EUR veranschlagen. Hier sollen verschiedene Konzepte zur Stadtentwicklung integriert betrachtet werden: Klimaschutz, Verkehr, Gestaltung, Altstadtschutz, Wohnraumversorgung, etc. Ein größerer Teil des Geldes soll in die Bürgerbeteiligung fließen, denn die Bürgerinnen und Bürger müssen hier mitgenommen werden und sollen auch aktiv daran mitarbeiten können. Ein solches ISEK ist im übrigen auch Voraussetzung für viele Förderprojekte, würde uns also zusätzliche Finanzmittel sichern. Auch auf Wunsch der FWG steht dieser Antrag heute Abend erneut zur Einzelabstimmung an. Auch hier würden wir uns über eine mehrheitliche Zustimmung freuen.
Ein Negativbeispiel in diesem Haushalt kann ich an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen. Für das Jahr 2024 wurden 125.000 EUR für versenkbare Poller zur künftigen Form der Terrorabwehr für das Hochheimer Weinfest veranschlagt. Das bemerkenswerte an diesem Haushaltsantrag, der in der ursprünglichen Planung überhaupt nicht vorgesehen war, ist, dass erstens bis heute nicht zweifelsfrei feststeht, ob unsere bisherige Lösung zur Terrorabwehr wirklich in Zukunft nicht mehr ausreicht, um das Weinfest verantwortungsvoll durchführen zu können. Darüber hinaus ist zumindest aus den Ausführungen des Bürgermeisters klar erkennbar, dass dieser Haushaltsansatz für fünf versenkbare Poller bestenfalls die allerunterste Preisgrenze darstellt, vermutlich aber gar nicht ausreichen wird. Für mich und meine Fraktion ist es unverständlich, wie wir politisch in die Lage kommen ein vierfaches dessen, was ein Wohnraumversorgungskonzept kosten würde, ohne große Not sprichwörtlich in den Boden zu versenken. An keinem Beispiel ist klarer erkennbar wie Ziel- und Planlos wir als Stadtverordnetenversammlung insgesamt agieren. Damit geben wir nach außen kein gutes Bild ab.
Zum Schluss dieser Rede möchte ich mich bei Herrn Schneider herzlich bedanken und ihn bei dieser Gelegenheit nochmals herzlich Willkommen heißen. Sie haben sich in kurzer Zeit in die Hochheimer Besonderheiten eingearbeitet und mit der Unterstützung von Herrn Dressler und den anderen Kolleginnen und Kollegen im Fachbereich Finanzen gleich die besondere Wucht eines Doppelhaushaltes abgeliefert. Es hat uns sehr gefreut, wie wir dann spätestens in der letzten HFA- Sitzung am Donnerstag auch intensiver mit Ihnen ins Gespräch gekommen sind. So haben wir es in der Vergangenheit mit ihrem Vorgänger auch gehalten und das würden wir gerne ausbauen.
Wir danken auch allen anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung, die an der Erstellung und Beratung mitgewirkt haben und allen anderen Fraktionen, die sich in die Haushaltsberatungen eingebracht haben.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Marcus Heße-Nuß Fraktionsvorsitzender
Sie können die Rede auch hier als PDF herunterladen: Haushaltsrede_Haushalt_2023_2024