In der Stadtverordnetenversammlung am 16. Dezember 2020 wurde die folgende Haushaltsrede vom Fraktionsvorsitzenden Marcus Hesse gehalten.
Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin,
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Stadtverordnetenversammlung,
in einer besonderen Sitzung und in einer besonderen Zeit verabschieden wir heute einen Haushalt für das Jahr 2021, in dem wir stärker als bisher auf massive Veränderungen reagieren müssen. Gleichzeitig verbinden wir mit dem vor uns liegendem Jahr auch viele Hoffnungen und Wünsche.
Auf die Auswirkungen der Pandemie werde ich im Detail meiner Rede nicht eingehen, dazu ist bereits genug gesagt worden. Ebenso verzichte ich – mittlerweile schon traditionell – auf das betreute Vorlesen der Eckdaten des Haushalts.
Was ändert sich in diesem Haushalt?
Ich muss leider an dieser Stelle feststellen, dass wir es in dieser Wahlperiode leider nicht geschafft haben, unser Projekt Ziele und Kennzahlen voranzubringen. Wir wollten den Weg, den wir im Jahr 2014 gemeinsam in diesem Haus eingeschlagen haben, konsequent weitergehen und hinkommen zu einer Haushaltssteuerung, die neue und moderne Wege geht.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, dieses Thema haben sie geschickt und erfolgreich ausgesessen! Dieses Projekt übergeben wir unerledigt in die nächste Wahlperiode. Allerdings nicht so locker, wie es klingt. Wir werden heute einen verbindlichen Fahrplan mit konkreten Arbeitsterminen für das nächste Jahr beschließen.
Da dieses Ergebnis leider absehbar war, haben wir uns frühzeitig mit der Verwaltung darauf geeinigt, in diesem Jahr eben keinen Doppelhaushalt sondern einen Einzelhaushalt für 2021 zu verabschieden. Somit kann das Projekt hoffentlich schon bei den Beratungen des nächsten Haushaltes eine Wirkung entfalten.
Steuern
Der Haushalt für 2021 enthält eine Erhöhung der Grundsteuer von 405 auf 475 Punkte und eine Erhöhung der Gewerbesteuer auf 360 Punkte. Als Sozialdemokraten fällt uns die Zustimmung hierzu nicht leicht, wir sehen aber auch die politisch gewollten Steigerungen auf der Ausgabenseite, die diesen Schritt nötig machen.
Dennoch ist und bleibt die Anhebung der Grundsteuer – gerade in der Krise – für die Bürgerinnen und Bürger eine zusätzliche Belastung, die wir nicht leichtfertig, sondern wohl abgewogen und gut überlegt mittragen können.
Was wir definitiv nicht mittragen können ist aber, der fast schon regelmäßige Ansatz der mittelfristigen Finanzplanung, in den Folgejahren 2022, 2023 und 2024 jeweils, um weitere 10 Zähler zu erhöhen. Dagegen haben wir uns ebenso ausgesprochen wie gegen den inzwischen mehrheitlich beschlossenen Ansatz, diese drei Folgeerhöhungen in einen Schritt zusammenzufassen.
Die sehr moderate Anhebung der Gewerbesteuer über den Nivellierungssatz ist schon seit längerer Zeit fällig. Viel zu lange haben wir uns hier – im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs – eine höhere Steuerkraft zurechnen lassen als wir real an Gewerbesteuer vereinnahmen. Dies bedingt geringere Zuweisungen. Letztlich haben wir hier für einen minimalen Wettbewerbsvorteil draufgezahlt.
Jetzt – Mitten in der Krise – den Unternehmen allerdings eine weitere Gewerbesteuererhöhungen in Aussicht zu stellen, fanden wir ebenso falsch wie die weiteren Grundsteuererhöhungen und haben diesen Antrag daher abgelehnt.
Straßenbeitragssatzung
Was ich Anfang diesen Jahres für schwer möglich gehalten habe ist inzwischen Realität: Die Straßenbeitragssatzung in Hochheim ist Geschichte. Die nötigen Investitionen in den Bereich der grundhaften Erneuerungen sind über die nächsten Jahre verbindlich festgeschrieben und finanzieren sich so, wie bisher auch.
Ich bin Stolz sagen zu können, dass es sich gelohnt hat, das Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern zu suchen, dabei deren Argumente und Motivation zu hören und gegen eigene Entscheidung der Vergangenheit zu prüfen. Als Kommunalpolitiker muss man auch mal Fehler eingestehen können. Insbesondere dann, wenn man die Bürgerinnen und Bürger dadurch auch vor unnötigen Belastungen bewahren kann. Ich habe beim letzten Doppelhaushalt diesen Fehler gemacht und nicht gemerkt, dass der Haushaltsansatz für den Straßenbau auf der Finanzierungsseite die – bisher vom Bürger geleisteten Beiträge von jährlich über 350.000 EUR – völlig hat unter den Tisch fallen lassen. Noch im Januar habe ich mir für diese Erkenntnis im Haupt- und Finanzausschuss harte Vorwürfe anhören müssen. Sogar Realitätsverweigerung wurde mir vorgeworfen. Zum Herbst des Jahres hat sich meine Erkenntnis allerdings durchgesetzt und wir konnten – wenn auch mit knapper Mehrheit – diesen groben Fehler beseitigen.
Wir sitzen nicht im Elfenbeinturm. Es hilft miteinander zu sprechen statt übereinander. Das gilt übrigens für beide Seiten.
Investitionen
Ich komme nun zu den Investitionen, die dieser Haushalt für das Jahr 2021 plant. Eine große Investition, den „Halbausbau“ des Berliner Platzes, haben wir mehrheitlich in den Haushaltsberatungen einkassiert. Damit wird verhindert, dass die nie begonnene Aufgabe der Neugestaltung zur dann wahrscheinlich auf länger unvollendeten Teilgestaltung wird und dabei Gelder aus der Hessenkasse massiv verschwendet werden.
So sehr der Bürgermeister uns im Projekt Ziele und Kennzahlen ausgebremst hat, so steht er in diesem Thema für eine überschnelle Umsetzung einer „Lösung“, die politisch längst nicht ausdiskutiert ist und die auch Konflikte mit den Anwohnern des Platzes hervorruft, welche man dringend vorher und endgültig klären muss.
Ehrlicherweise verstehe ich nicht, warum wir in diesem Thema ohne prüfenden Blick in die Runde mit dem Kopf stur durch die Wand laufen sollten. So hat es der Bürgermeister jedenfalls einplanen lassen. Die Mehrheit hat dieses Vorgehen eindeutig abgelehnt.
Auch diese Aufgabe übergeben wir der nächsten Stadtverordnetenversammlung.
Für die dadurch freigewordenen Mittel aus der Hessenkasse hat sich eine deutlich bessere Lösung gefunden: wir werden einen Bauabschnitt der Frankfurter Straße aus dem verbindlichen Ausbauprogramm vorziehen.
Eine weitere Investition dieses Haushaltes ist der Bau eines Jugendhauses am Wasserturm. Wir bauen dieses Jugendhaus mit einem Mehrzweckraum, der uns die Freiheit gibt, diesen Neubau auch für andere Zwecke zu nutzen. Ohne inhaltliche Abstriche an der sehr guten Jugendarbeit in Hochheim gehen wir gleichzeitig wirtschaftlich mit dieser Investition um.
Veränderungen auf der Ausgabenseite
Kommen wir zu den Veränderungen auf der Ausgabenseite. Hier ist durchaus positiv, dass der Ansatz im Allgemeinen sparsam bleibt. Das ist der Einnahmesituation gegenüber auch angemessen.
Ein wichtiger Punkt an dieser Stelle ist die Schaffung der neuen städtischen KiTa Schatzinsel. Ebenso gehen im nächsten Jahr auch neue KiTas der freien Träger endlich an den Start, was ebenso naturgemäß zu höheren Ausgaben für die Betreuung führt.
Als Vorsitzender des Sozialausschusses ist es mir eine echte Freude, dass wir im Kapazitätsausbau weitere und deutliche Schritte vorankommen. Genauso erfreulich ist es übrigens, dass wir dazu im Hause auch eine sehr breite Zustimmung zum Kapazitätsausbau haben.
Umgruppierung der Erzieherinnen und Erzieher
Als Sozialdemokraten ist es meiner Fraktion und mir auch sehr wichtig gewesen, angemessen darauf zu reagieren, dass Erzieherinnen und Erzieher am Arbeitsmarkt sehr gefragt sind. Hier ist ein wichtiger Schlüssel für unsere Bemühungen, ein ausreichendes Platzangebot zu schaffen. Daher haben wir in den Haushaltsberatungen explizit beantragt, ähnlich wie in den Nachbarkommunen, hier eine höhere Eingruppierung vorzunehmen. Auch hier waren wir uns glücklicherweise im Hause sehr einig gewesen.
Verpasste Chancen
Wenn ich in dieser Rede aber das Thema der Einigkeit anspreche, dann muss ich auch zu einem wirklich ernüchternden Thema kommen, wo eine Einigkeit leider nicht zu erzielen war.
Bereits im Sommer des letzten Jahres hatte meine Fraktion den Antrag gestellt, dass ein Wohnraumversorgungskonzept für Hochheim erstellt werden soll. Mit diesem Konzept hätten wir uns in die Lage versetzt einen Überblick davon zu bekommen, welche Anforderungen denn im Bereich der Wohnraumversorgung tatsächlich bestehen. Wir wären mit diesen Erkenntnissen in der Position, frühzeitig zu erkennen, ob wir mit einem Investorenprojekt den Wohnraum entstehen lassen, den wir brauchen, oder ob wir am Bedarf vorbei bauen. Hierbei geht es um deutlich mehr als die Frage: Sozialer Wohnungsbau oder Luxuswohnungen. Genau genommen geht es um das, was den Hochheimerinnen und Hochheimern fehlt, die eben nicht zum Kreis derer gehören, die eine Sozialwohnung brauchen, für die aber die anderen Neubauprojekte der letzten Jahre auch nicht finanzierbar sind.
Dank der besonderen Neigung unseres Bürgermeisters, dieses Thema nicht ernst zu nehmen, wurden wir mit unserem Antrag auf den nächsten Haushalt vertröstet, vorher wäre kein Geld dafür da. Jetzt, wo wir beim nächsten Haushalt angekommen sind hat der Bürgermeister es vorgezogen, weiterhin diesem Problem aus dem Weg zu gehen. Also mussten wir erneut die Mittel beantragen.
Leider haben trotz aller Diskussionen in den vergangenen Monaten auch viele der anderen Fraktionen immer noch nicht verstanden, wie wichtig diese Frage für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ist. Unser Antrag wurde abgelehnt. Die schlimmste Begründung dabei war: „Gute Idee, leider zur falschen Zeit“. Treffender kann man die eigene Ignoranz im Thema „bezahlbarer Wohnraum“ nicht dokumentieren Herr Bösz.
So kann ich am Ende feststellen, dass nur eine Fraktion das Problem des bezahlbaren Wohnraumes in Hochheim ernsthaft lösen möchte, alle anderen halten lieber Sonntagsreden. Die kosten zwar nichts aber sie bringen halt auch keine Lösung für das Problem, das am Anfang der Wahlperiode fast jede Fraktion als eines der dringenden Probleme erkannt hat. Hier hat Hochheim in den letzten Jahren eine große Chance vertan. Die SPD in Hochheim wird weiter energisch an dem Thema „bezahlbarer Wohnraum“ arbeiten.
Abschluss
Die SPD-Fraktion wird dem Haushalt gemäß der Beschlussempfehlung aus dem Haupt- und Finanzausschuss zustimmen. Wir danken den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung und insbesondere Herrn Petry für die Aufarbeitung und Begleitung unserer Haushaltsberatungen. Dieser Dank gilt auch den Kolleginnen und Kollegen in der Stadtverordnetenversammlung für die konstruktive und zügige Beratung.
Marcus Hesse
Fraktionsvorsitzender
Hier die Rede als Dokument zum herunterladen: Haushaltsrede_Haushalt_2021