Alles ist gut? Wie Kultusminister Lorz in seinem Paralleluniversum der Wirklichkeit entflieht

Bild: Angelika Aschenbach

Die SPD-Fraktion im Hessischen Landtag wirft Kultusminister Alexander Lorz (CDU) vor, in den ersten zwei Schulwochen nach der Sommerferien Lehrer*innen, Schüler*innen und deren Eltern erneut verunsichert zu haben. Nach einer Pressekonferenz des Ministers heute in Wiesbaden, bei der dieser sich selbst ausgiebig für sein eigenes Corona-Management lobte, stellte der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Christoph Degen fest: „Der Eindruck erhärtet sich, dass Minister Lorz in irgendeinem fernen Paralleluniversum lebt, in dem alles zum Besten steht. Leider hat das Lorz’sche Paralleluniversum keine Berührungspunkte mit der Wirklichkeit, wie sie sich an den hessischen Schulen zeigt.“

Die Wiederaufnahme des Schulbetriebs nach den Sommerferien unter angeblichen „Normalbedingungen“ sei ein Roulette-Spiel gewesen, bei dem Lehrkräfte, Schüler*innen und Eltern nur verlieren konnten, so Degen. Zwei Wochen nach Schuljahresbeginn hätten zwar „nur“ sechs Schulen im Land wieder ganz schließen müssen, aber etliche Klassen seien wegen Corona-Fällen in Quarantäne geschickt worden.

Degen sagte: „Mit Stand vom Mittwoch dieser Woche war für 51 Schulklassen an 43 Schulen Quarantäne angeordnet. Die betroffenen Schülerinnen und Schüler werden während ihrer Isolation überhaupt nicht mehr unterrichtet, weil es weder ein Konzept noch die technische Ausstattung für die Kombination von virtuellem Unterricht und Präsenzstunden an unseren Schulen gibt. Das Desinteresse des Ministers am digitalen Lernen und Lehren ist geradezu erschütternd.“

Viel Energie und Mühe verwende Minister Lorz stattdessen auf den Versuch, die Verantwortung für das Funktionieren der Schulen unter Corona-Bedingungen nach unten wegzudelegieren, kritisierte Degen: „Wenn er sagt, dass die Schulen die ersten 14 Tage dieses Schuljahres gut gemeistert hätten, dann liegt darin immerhin ein Körnchen Wahrheit – denn da, wo es gut läuft, ist das allein das Verdienst der Schulleitungen und der Lehrkräfte. Der Minister hat keinen nennenswerten Beitrag dazu geleistet.“

Unverständnis zeigte Degen für die Weigerung des Kultusministers, Schulen mehr Handlungsmöglichkeiten bei der Prävention zu geben. Bisher würden alle Anträge von Schulen auf einen strukturierten Wechsel aus Distanz- und Präsenzunterricht – und damit auf kleiner Klassengrößen – abgelehnt. „Der Zwang zum Normalbetrieb ist falsch. Schulen, die gute Ideen haben, um das Infektionsrisiko zu reduzieren, sollten ernstgenommen werden“, so Degen.

Bemerkenswert, so der SPD-Bildungspolitiker, sei allerdings die Wendigkeit von Minister Lorz beim Thema „Stufenplan“: Ein solches Konzept, das landesweit einheitlich regeln soll, in welchen Schritten welche zusätzlichen Infektionsschutzmaßnahmen in Abhängigkeit von den aktuellen Corona-Fallzahlen an den Schulen getroffen werden müssen, hatte Lorz noch in dieser Woche standhaft abgelehnt. Ein gesonderter Stufenplan für die hessischen Schulen sei überflüssig, es gebe ja bereits ein Infektionsschutzkonzept des Sozialministeriums, so lautete die Argumentation des Ministers – bis heute, als Lorz überraschend ankündigte, dass die Bildungsminister*innen der Länder auf Bitten der Bundesregierung einen gemeinsamen Vier-Stufen-Plan erstellen wollten.

Degen sagte: „Nachdem Gewerkschaften, Elternverbände und auch die SPD-Fraktion im Hessischen Landtag monatelang ein tragfähiges Stufenkonzept eingefordert haben, soll es jetzt auch für Hessen endlich eines geben. Das ist grundsätzlich eine gute Nachricht. Warum Minister Lorz erst eine ‚Bitte‘ aus Berlin braucht, um nach wochenlanger Verzögerung das Richtige zu tun, bleibt rätselhaft. Aber vielleicht sind Signale aus der Bundesregierung die einzigen, die noch in das idyllische Paralleluniversum von Kultusminister Lorz durchdringen.“